Liebe Alle,
Wer hat Lust auf ein bisschen Wettbewerb? Die EU-Kommission offensichtlich nicht. Diese Woche hat sie im Europäischen Parlament ihr Arbeitsprogramm für 2025 vorgestellt. Es sieht nicht so aus, als wolle die EU den großen, bösen Jungs da draußen wirklich die Stirn bieten. Während innovative Ideen und Dienstleistungen aus den USA und China nach Europa strömen, haben wir uns für Schneckentempo entschieden. Wir schützen alte Unternehmen und Geschäftsmodelle und bürden Start-ups eine Menge Bürokratie auf. Das halte ich für einen Riesenfehler.
Schluss mit Papierkrieg
Wenn ich das Arbeitsprogramm der Kommission aus der Perspektive eines Gründers betrachte, bin ich enttäuscht. Was ich erwarten würde, ist ein Engagement für die Vereinfachung und Harmonisierung des Wirrwarrs an rechtlichen Vorschriften auf dem Kontinent. Es ist unglaublich schwer, alle Vorschriften einzuhalten, wenn man ein Unternehmen gründen und auf unserem Binnenmarkt tätig sein will. Es ist langwierig, erfordert eine Menge Papierkram und man muss sich durch die Untiefen der Bürokratie kämpfen. Warum eigentlich gibt es in Europa so wenige innovative Player mit richtig viel Marktwert? Weil viele von ihnen einfach aufgeben.
Bitte nicht falsch verstehen: Es ist großartig, dass die EU ein solides Regelwerk für Unternehmen hat und nicht einfach jeden machen lässt. Aber Bürokratieabbau heißt ja nicht, dass wir bei den Grundrechten oder den Klimazielen Abstriche machen müssen. Ganz im Gegenteil: Wenn wir Innovatoren und Innovatorinnen die Luft zum Atmen geben, können sie wachsen und Arbeitsplätze in der grünen Wirtschaft schaffen, und das macht Europa wettbewerbsfähig. Aber nicht, wenn wir die Spielregeln ständig ändern. Gut, dass die Kommission zumindest ein paar Regulierungen zurückdrehen will. Ich glaube nur, das reicht noch nicht.
GELD FÜR GRÜNDER*INNEN
Zweitens: Gründer und Gründerinnen brauchen Geld. Wenn Ideen groß werden sollen, ist Kapital der Schlüssel. Die Kommission ist der Ansicht, dass das durch privates Kapital erreicht werden kann, und es ist gut, dass sie dabei helfen will, dieses freizusetzen. Aber das ist nicht genug. Das Programm enthält keine Pläne zur Erschließung von Risikokapital, das Start-ups und Scale-ups wirklich helfen würde.
Und wenn wir unsere Wirtschaft wirklich umgestalten wollen, brauchen wir auch öffentliche Investitionen. In Europa investieren wir nur einen Bruchteil dessen, was andere Global Player ausgeben. Und die Mittel werden oft national oder sogar regional verteilt, was es ehrgeizigen europäischen Ideen noch schwerer macht, in Gang zu kommen. Was wir brauchen, sind dauerhafte EU-Mittel. So können wir unsere Infrastruktur umbauen, innovieren und vernetzen.
CALL FOR TALENTS
Und dann ist da noch das Talent. Gute Ideen brauchen gute Köpfe. Klingt selbstverständlich, aber die Kommission hat keinen Plan, wie man Talente fördern kann. Innerhalb Europas gibt es ein riesiges Potenzial: In fast allen Mitgliedstaaten ist der Anteil der weiblichen Arbeitskräfte immer noch zu gering. Außerdem ist es lächerlich schwer, zwischen den Mitgliedstaaten zu wechseln – man denke nur an die Krankenversicherung, die Besteuerung und die Fernarbeit. Wir werden dort besteuert, wo wir in der EU leben, und müssen das jedes Jahr gegenüber den Steuerbehörden kleinteilig nachweisen: indem wir die Tage, die wir in Mitgliedstaat A oder B verbracht haben, akribisch aufzeichnen. Kein Wunder, dass große Unternehmen den Umweg über US-Arbeitgeber nehmen, um EU-Mitarbeiter zu beschäftigen. Das ist peinlich!
Wir wissen auch, dass es in Europa schon jetzt an qualifizierten Arbeitskräften mangelt, und das wird mit jedem Jahr schlimmer werden, weil unsere Bevölkerung altert und schrumpft. Wie sieht also der Plan der Kommission aus, um Talente aus dem Ausland anzuziehen? Hier klafft ein großes Loch. Wir werden Arbeitsmigration brauchen, wenn wir Wohlstand sichern wollen. Ironischerweise hilft Trump Europa hier sogar. Je mehr er talentierte Arbeitskräfte abschreckt, desto mehr kann Europa davon profitieren. Warum stellen wir nicht ein riesiges Plakat im Silicon Valley oder in San Francisco auf: Kommt in die EU! Ihr seid hier willkommen, wir haben hervorragende Schulen, eine gute Gesundheitsversorgung und ihr werdet ein vollwertiger Teil unserer Gesellschaft? Hier klafft ein großes Loch. Wir werden Arbeitsmigration brauchen, wenn wir Wohlstand sichern wollen. Ironischerweise hilft Trump Europa hier sogar. Je mehr er talentierte Arbeitskräfte abschreckt, desto mehr kann Europa davon profitieren. Warum stellen wir nicht ein riesiges Plakat im Silicon Valley oder in San Francisco auf: Kommt in die EU! Ihr seid hier willkommen, wir haben hervorragende Schulen, eine gute Gesundheitsversorgung und ihr werdet ein vollwertiger Teil unserer Gesellschaft?
HOLEN WIR UNS DIE ZUKUNFT ZURÜCK
Aber es gibt Grund zur Hoffnung. Europa kann große Schritte machen, wenn es wirklich will. Das haben wir diese Woche in Paris gesehen, wo eine mutige und engagierte KI-Strategie ausgearbeitet wurde. Und die Kommission hat sich bereit erklärt, einige unnötige Bestimmungen zu streichen, um das Leben von Gründerinnen und Gründern zu erleichtern.
So sollte es sein! Eine klare Vision, ein ehrgeiziges Ziel und – zumindest in diesem Fall – eine ausreichende Finanzierung sowohl durch Frankreich als auch durch die EU.
Innovation passiert nicht einfach so. Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir das Umfeld für gute Ideen schaffen. Ich hoffe, dass die Kommission endlich den Mut aufbringen wird, Neues zu wagen. Wir brauchen jetzt eine fortschrittliche, optimistische und zuversichtliche Einstellung. Lasst uns Europa fit für die Zukunft machen!
Euer
Damian